Einer seiner Mitverschwörer, Nedeljko Čabrinović, warf eine Handgranate auf den Wagen des Thronfolgers. Diese prallte jedoch ab und explodierte vor einem nachfolgenden Auto. Die Bombe verletzte mehrere Menschen, doch der Wagen des Erzherzogs fährt nun so schnell, dass die übrigen Attentäter, die an der Fahrstrecke warten, keine Gelegenheit finden, ihnanzugreifen.
Ermordung von Franz Ferdinand
:Diese Schüsse lösten den Ersten Weltkrieg aus
Ermordung von Franz Ferdinand
Der Verbrechen folgte der Weltenbrand: 1914 starben Österreichs Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie in Sarajevo durch Pistolenschüsse. Historische Fotos einer verhängnisvollen Reise.
Jetzt aber rollt der Konvoi erneut auf dem Appelkai durch die Stadt. Und ausgerechnet dort, wo Princip sich bereithält, kommt es zu einer Verzögerung. Der Chauffeur des Erzherzogs muss den Wagen wenden. Das gibt Princip die Gelegenheit, zwei Schüsse auf den langsam rollenden Wagen abzugeben. Der junge Mann trifft den Erzherzog tödlich am Hals, verletzt jedoch auch dessen Frau Sophie mit einem Bauchschuss so schwer, dass sie ebenfallsstirbt.
Princip will sich selbst erschießen. Doch der Revolver wird ihm aus der Hand geschlagen. Wie Čabrinović vor ihm schluckt er eine alte Zyankalipille. Und wie bei seinem Mittäter wirkt das Gift nichtmehr.
"Ich bin kein Verbrecher"
Beide Attentäter werden festgenommen. Noch am Abend desselben Tages wird ein Verfahren wegen Mordes gegen sie eröffnet. In diesem Verfahren wird Princip dem Richter sagen: "Ich bin kein Verbrecher, denn ich habe denjenigen beseitigt, der Böses tat. Ich denke, dass ich gutbin."
Auch Čabrinović beteuert: "Wir sind alles, was Sie wollen, aber keine Verbrecher. [...] Wir sind ehrliche, edle, idealistische Menschen. Wir wollten etwas Gutes tun, wir lieben unser Volk, wir wollten für unsere Idealesterben."
Was waren das für junge Menschen, die bereit waren, zu morden, die zu Terroristen wurden, gewissermaßen sogar zu verhindertenSelbstmordattentätern?
Princip selbst hat nicht nur während des Prozesses Gelegenheit, über sich und seine Motive zu sprechen. Er ist bei dem Attentat noch minderjährig und wird deshalb nicht zum Tode verurteilt, sondern zu 20 Jahren Festungshaft. Das gibt dem österreichischen Psychiater und Neurologen Martin Pappenheim Gelegenheit, ihn in seiner Zelle zu befragen. Und Princip gibt ihm Auskunft über sein Leben und seine Motive für dieTat.
Sozialisierung eines Terroristen
Geboren wird Gavrilo Princip am 25. Juli 1894 in Obljaj, einem Dorf auf der Hochebene von Grahovo im Westen Bosniens. Seine Eltern Petar und Marija sind arme serbische Kleinbauern, die Land von einem Großgrundbesitzer aus Montenegro gepachtet haben. Von den neun Kindern sterben sechs vor ihrem zehnten Lebensjahr. Auch Gavrilo erkrankt schon als Kind anTuberkulose.
Ein überstolzer Kaiser, jubelnde Soldaten, der Glaube an einen schnellen Sieg: Vor hundert Jahren begann der Erste Weltkrieg. Fotos aus dem Jahr 1914, als die Welt brannte und das alte Europa zerbrach.
Princips Heimat Bosnien-Herzegowina steht seit 1878 unter der Verwaltung von Österreich-Ungarn. Zuvor war es Teil des Osmanischen Reiches gewesen. Nach der Okkupation folgt 1908 die Annexion durch Österreich-Ungarn. Zu diesem Zeitpunkt besucht Princip bereits seit einem Jahr eine Schule in Bosniens Hauptstadt Sarajevo. Sein älterer Bruder Jovo, der sich bis zum Sägewerksbesitzer hochgearbeitet hat, finanziert seine Ausbildung. Eigentlich wollte er seinen Bruder Princip auf die österreichische Kadettenschule in Sarajevoschicken.
Schicksalhafte Entscheidungen
Wäre es so weit gekommen, und hätte Princip eine Karriere in der österreichischen Armee begonnen - die Geschichte Europas wäre vielleicht anders verlaufen. Doch ein Bekannter der Familie fordert Jovo auf, seinen Bruder nicht einer Institution auszuliefern, in der das Kind entwurzelt und zum Feind des eigenen Volkes gemacht würde. So wird es der österreichische Journalist Gregor Mayer 100 Jahre später in seinem Buch " Verschwörung in Sarajevo" beschreiben. Anfang des 20. Jahrhunderts beginnt Princip, sich auf der Handelsschule in Sarajevo zu langweilen, bis er schließlich auf ein Gymnasiumwechselt.
Eine zweite Entscheidung, die den Verlauf der Geschichte mitbestimmt, ist die Wahl der Unterkunft für den pubertierenden Schüler. Der Sohn seiner Vermieterin, Danilo Ilić, ist zu dieser Zeit bereits überzeugt von der Notwendigkeit, sich gegen die Habsburger Monarchie zu wehren. Er wird einer der engsten Vertrauten von Princip und schließlich zu einem der Köpfe des späterenAttentats.
In Sarajevo erlebt Princip die Folgen der Einverleibung Bosniens durch Österreich-Ungarn. In der Stadt entwickelte sich unter osmanischer Herrschaft eine multiethnische Bevölkerung. Serben, Kroaten, Muslime und nun Soldaten, Unternehmer, Händler und Verwaltungsbeamte aus allen Teilen der Monarchie lebenhier.
Der Erste Weltkrieg hat die Landkarte Europas grundlegend verändert und das 20. Jahrhundert geprägt. Eine Übersicht der wichtigsten Daten eines bis dahin nie da gewesenen Gewaltausbruchs.
Die neuen Herren bemühen sich, die Stadt und das Land zu modernisieren und den ethnischen Nationalismus zurückzudrängen. Mit den Veränderungen müssen Gruppen mit völlig unterschiedlichen Lebenswelten umgehen. Die bosnischen Serben haben sich vom Ende der osmanischen Herrschaft mehr erhofft. Doch die Position der muslimischen Pachtherren und der serbischen Bauern als ihre Pächter ändert sichkaum.
Zugleich gärt es auf dem gesamten Balkan mit seinen vielen Kleinstaaten und Volksgruppen, seit das Osmanische Reich dort von den Russen besiegt und zurückgedrängt worden ist. 1878 hatten sich die Vertreter der europäischen Großmächte, Russland und die Türkei in Berlin auf eine Friedensordnung geeinigt. Dadurch kam es zu massivenUmbrüchen.
Bosnien fiel unter die Verwaltungshoheit der Habsburger Monarchie. Serbien, bis 1878 ein Teil des Osmanischen Reichs, wurde nach dem Sieg der Russen gegen die Türken zum eigenständigen Königreich. Doch das Königspaar wurde 1903 wegen ihrer Nähe zur Habsburger Monarchie von einer Gruppe von Offizieren um Dragutin Dimitrijević (Spitzname Apis), ermordet. Sie setzten eine konstitutionelle Monarchie unter König Petar I. ein, das Land orientiert sich nun in RichtungRussland.
Konflikt zwischen Wien und Belgrad
1906 entwickelt sich ein Wirtschaftskrieg ( "Schweinekrieg") zwischen Serbien und Österreich, der auch die serbische Bevölkerung in dem von den Habsburgern besetzten Bosnien erbost. Zwei Jahre später annektiert Österreich Bosnien-Herzegowina, was in Serbien Empörung auslöst. Dort wird die Organisation "Narodna Odbrana" ("Volksverteidigung") gegründet, die außerhalb des Landes Propaganda gegen die Besatzer macht - bis die Doppelmonarchie der Regierung in Belgrad 1909 eine demütigende "Wohlverhaltenserklärung"abzwingt.
Offiziere um Apis gründen in Belgrad daraufhin die Geheimorganisation " Vereinigung oder Tod", auch "Schwarze Hand" genannt. Ihr Ziel ist die Errichtung eines mit Russland verbündeten serbischen Königreiches inklusive der von Serben bewohnten Teile Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas - also einGroßserbien.
Auch in Bosnien-Herzegowina entsteht bei vielen jungen Serben ein immer stärkeres serbisches Nationalbewusstsein. Ein Teil von ihnen allerdings entwickelt - zusammen mit Kroaten und auch Muslimen - stattdessen eine serbo-kroatische südslawische ( jugoslawische)Identität.
In ihnen wächst das Bedürfnis nach Rebellion gegen die Österreicher, die sie als als Tyrannen wahrnehmen. Viele haben ausgerechnet an den von den Besatzern eingerichteten Gymnasien eine humanistische Bildung erhalten und treffen sich in neuen politischen Organisationen und revolutionären Zellen, in denen über den richtigen Weg diskutiert wird: Tyrannenmord oderDemokratisierung?
Die Balkankriege 1912/1913 machten Südosteuropa zum Schlachtfeld. Sie ermunterten die Großmächte zur Rüstung - und zündeten die Lunte für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Historische Bilder.
1911 tritt Princip dem eben gegründeten Geheimbund "Serbisch-Kroatische Fortschrittorganisation" bei. In diesem Jahr kursiert für die idealistischen, teils fast schon romantischen Anhänger einer nationalen Befreiung der Begriff Jungbosnier. Die jungen Männer und Jugendlichen pflegen insbesondere seit der Annexion Bosniens ein revolutionäres Pathos. Ihre Vorbilder sind die russischen Revolutionäre und Attentäter und deren Kampf gegen die Herrschaft desZaren.
Princips Held und besonders großes Vorbild wird allerdings ein Jungbosnier: Bogdan Žerajić, der 1910 vergeblich versuchte, Österreichs Statthalter in Bosnien zu erschießen und sich dann selbst tötete. Princip bezeichnet diese Tat dem Psychiater Pappenheim gegenüber später als das Schlüsselerlebnis, das zu seiner politischen "Erweckung" geführt habe. Zu dem Zeitpunkt war er 15 Jahrealt.
Franz Ferdinands Passion war die Jagd, sein Auftreten war schroff, sein Ende brutal - Bilder des österreichischen Thronfolgers, der dessen Ermordung in Sarajevo 1914 den Ersten Weltkrieg auslöste.
Princip beschließt, dass ein Attentat auf einen wichtigen Vertreter der Monarchie sein Beitrag an der Revolution sein soll. Zugleich ist er enttäuscht von den ergebnislosen Diskussionen unter seinen Mitstreitern und von den Debatten mit den nationalistisch gesonnenenSerben.
Princips Lebensweg ändert sich drastisch, als er 1912, nach längerer Krankheit, die Schule in Sarajevo abbrechen muss. Er macht sich auf nach Belgrad, um seine Ausbildung dort als Privatschüler fortzusetzen. Auch in Serbiens Hauptstadt schließt er sich Kreisen an, die die Vertreter Österreich-Ungarns als Feindebetrachten.
Für die Serben geht es auch darum, "Rache für den Kosovo" zu nehmen. Bei der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo polje) hatte ein osmanisches Heer 1389 die Serben besiegt. Der Überlieferung zufolge war dies der Beginn der Unterdrückung des serbischen Volkes durch dieOsmanen.
Kriegskunst und Waffen, Filme und der Gestank in den Schützengräben: Ausführlich behandeln Museen der einst verfeindeten Staaten den Weltenbrand vor 100 Jahren. Eine Auswahl von Ausstellungen von Wuppertal bis Ottawa.
1912 erklären Bulgarien, Serbien, Montenegro und Griechenland dem schon angeschlagenen Osmanischen Reich den Krieg. Princip selbst meldet sich als Freiwilliger für den Krieg, wird jedoch aufgrund seines Gesundheitszustandes abgelehnt. Als er im Frühjahr 1914 erfährt, dass der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand Sarajevo besuchen wird, beschließt er, dass dies die große Gelegenheit sein wird, seinen Beitrag im Kampf gegen die Unterdrückung zuleisten.
Die Verschwörer ergreifen die Initiative
Princip und sein Freund Nedeljko Čabrinović, ein Druckergeselle, stellen über bosnische Freischärler, die von Serbien aus gegen die Türken kämpfen, Kontakt zur "Schwarzen Hand" her. Und der Kopf der Gruppe, Oberstleutnant Dragutin Dimitrijevic (Apis), zugleich Chef des serbischen Militärgeheimdienstes, rüstet sie aus. Er lässt ihnen die notwendigen Waffen- vier Revolver und sechs Handgranaten - und Zyankalipillen zukommen. Apis geht davon aus, dass das Attentat die Monarchie schwächen, diese Serbien aber trotzdem nicht angreifenwerde.
Milan Ciganović, Angehöriger des serbischen Geheimdienstes, bringt den Attentätern - zu ihnen gehört nun auch ein weiterer Freund Princips, der Schulabbrecher Trifun Grabež, - das Schießen bei. Dann werden Princip und seine Mitverschwörer zurück nach Bosnien-Herzegowina geschleust und nach Sarajevogebracht.
Als das Zentralkomittee der "Schwarzen Hand" von Apis informiert wird und die Verschwörungspläne ablehnt, ist es zu spät, Princip und seine Kameraden aufzuhalten. Heute wird vermutet, dass sogar der serbische Ministerpräsident Nikola Pašić von den Attentatsplänen erfährt - er sich zu mehr als einer eher allgemeinen Warnung an den Kopf der österreichisch-ungarischen Zivilverwaltung allerdings nicht durchringenkann.
Er tötete hunderttausende Tiere, galt als liebevoller Vater und Ehemann, wurde vom Kaiser gedemütigt und plante den Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn zu reformieren: Über Erzherzog Franz Ferdinand, dessen Tod den Ersten Weltkrieg auslöste.
In Sarajevo hat unterdessen Danilo Ilić drei weitere Jungbosnier überzeugt, sich an dem Attentatsversuch zu beteiligen: die Schüler Vaso Čubrilović und Cvetko Popović und den bereits 27 Jahre alten muslimischen Schreiner Muhamed Mehmedbašić.
Kampf für ein südslawisches Volk
Am 28. Juni warten die sechs Attentäter, diese "sentimentalen jungen Männer", wie Autor Gregor Mayer später schreibt, auf ihre Gelegenheit, einen Mann zu töten, den sie für den Vertreter einer Tyrannei halten, sie warten darauf, für ihre Idee eines serbo-kroatischen Südslawiens zu sterben. Ihr Ziel ist es ganz sicher nicht, den Weltenbrand auszulösen, der auf das Attentat folgt. Sie sehen sich als Kämpfer und Märtyrer für die Freiheit ihres Volkes. Sie wollen Helden sein und werden zugleich von politischen Kräften in Serbien missbraucht, die die Folgen des Attentats ebenfalls völligunterschätzen.
Dem Nervenarzt Pappenheim sagt Princip in seiner Zelle in der Festung Theresienstadt, dass ein solcher Weltkrieg nicht nur durch eine einzelne solche Tat ausgelöst worden sein könne. Damit dürfte er Recht haben. Die Kriegsbereitschaft der Mächte in Europa war ohnehin so groß, dass sie wohl ohne das Attentat einen anderen Anlass gefunden hätten, ihre Interessen mit Gewalt zuverfolgen.
Pappenheim notiert zu Princips Motiven für den Anschlag: "Rache und Liebe. Ganze Jugend in solcher revolutionärer Stimmung." Auch die Antwort auf die Frage, ob er das Attentat wieder verüben würde, ist in Pappenheims 1926 veröffentlichten Buch " Gavrilo Princips Bekenntnisse" überliefert. Heute denke er anders, sagt Princip. Denn heute sei eine soziale Revolution in ganz Europamöglich.
Am 28. April 1918 stirbt Princip an den Folgen der Knochentuberkulose, die ihn in der Haft furchtbar quälte. Der Tod, dem er 1914 knapp entging, ist ihm vermutlich willkommen. Er versuchte während der Haft mehrmals, sich das Leben zunehmen.
Lesetipp
Verschwörung in Sarajevo - Triumph und Tod des Attentäters Gavrilo Princip. Gregor Mayer, Residenz Verlag St. Pölten 2014, ISBN 978 3 7017 3294 4
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